Dichtung und Literatur wurden in den 80er Jahren immer mehr zum Refugium Elisabeths, in das sie sich zurückzog und ihren Träumen nachhing.“

Der Dichter Heinrich Heine wurde für die Kaiserin nicht nur zum Idol, sondern auch zum absoluten Maßstab und Vorbild was ihr eigenes dichterisches Schaffen anbelangte. Zahllose Gedichte widmete sie dem »Meister«, wie sie ihn nannte, und die stetige Auseinandersetzung mit ihm sollte bis in Themenwahl, Rhythmus und Stil ihre eigenen Gedichte prägen.

In dem Gedicht »Sonntagskind« ist es die ambivalente Grundstimmung ihres Lebens von Glücksversprechen und Trauer, die Elisabeth auch bei Heine zu spüren glaubte:

Ich bin ein Sonntagskind, ein Kind der Sonne;
Die goldnen Strahlen wand sie mir zum Throne,
Mit ihrem Glänze flocht sie meine Krone,
In ihrem Lichte ist es, dass ich wohne,
Doch wenn sie je mir schwindet, muss ich sterben.

Ein immer wiederkehrendes Motiv in den Gedichten Elisabeths war die Einsamkeit, die sie mit Heine zu teilen meinte, und die Trauer über das verlorene Glück.

Das Gedicht »Verlassen« spricht, selbstkritisch wie ihr großes Vorbild, von dem Betrug, der ihr widerfahren, aber auch von dem, den sie begangen:“

In meiner großen Einsamkeit
Mach’ ich die kleinen Lieder;
Das Herz voll Gram und Traurigkeit,
Drückt mir den Geist darnieder.

Wie war ich einst so jung und reich
An Lebenslust und Hoffen;
Ich wähnte nichts an Kraft mir gleich,
Die Welt stand mir noch offen.

Ich hab’geliebt, ich hab gelebt,
Ich hat’ die Welt durchzogen;
Doch nie erreicht, was ich erstrebt. –
Ich hab’ und ward betrogen!

Vor allem die zahlreichen Spottgedichte Elisabeths erinnern an Heine. In ihnen setzte sie der Umgebung (den »Canaillen«) die Narrenkappe auf, so z.B. in dem »Klingel-Lied«:

Wird mir die Welt zu bitter,
Die Menschen zu fatal,
So schwing’ ich mich aufs Flügelross
Und mach mich von der Erde los;
Ich flieh’ die bösen Zwitter
Und die Canaillen all’.

Ich lass sie wütend kläffen
Und giftig nach mir spei´n;
Ich wieg’ mich oben hoch im Blau
Kaum, dass ich noch die Erde schau,
Kein Schmutzpfeil wird mich treffen;
Die Luft ist hier zu rein.

Ich aber web’ euch Kappen
Und näh noch Schellen dran;
Als Narren geht ihr dann herum,
Man schaut sich lachend nach euch um;
Und seid ihr längst begraben;
Sie klingeln selbst noch dann.

Elisabeth konnte sich aber auch sarkastisch als Abstinenzlerin in Sachen Liebe zu erkennen geben. Das »Anti-Trinklied« ist eine bittere Abrechnung mit einem Gefühl, dessen Betrug sie in vielen anderen Gedichten, die vor allem um ihre Beziehung mit Franz Joseph kreisten, immer wieder beklagte:

Für mich keine Liebe,
Für mich keinen Wein;
Die eine macht übel,
Der andre macht spei’n!

Die Liebe wird sauer,
Die Liebe wird herb;
Der Wein wird gefälschet zum schnöden Erwerb.

Doch falscher als Wein
Ist oft noch die Lieb’
Man küsst sie zum Scheine
Und fühlt sich als Dieb!

Für mich keine Liebe,
Für mich keinen Wein;
Die eine macht übel,
Der andre macht spei’n!

Und schließlich gab es, ganz in der Tradition Heines, auch politische Gedichte, in denen sich die Kaiserin von Österreich als überzeugte Republikanerin offenbarte. Heine hätte seine helle Freude an derartigen Versen gehabt, ebenso wie an dem folgenden Zuruf Elisabeths an die Völker der Donaumonarchie, den sie angesichts einiger Affären und Skandale, die sich die weitverzweigte Habsburger Verwandtschaft geleistet hatte, verfasste:

Ihr lieben Völker im ganzen Reich,
So ganz im geheimen bewundre ich euch;
Da nährt ihr mit eurem Schweisse und Blut
Gutmütig diese verkommene Brut!

Es versteht sich von selbst, dass diese Zeilen, wie alle Gedichte Elisabeths unveröffentlicht blieben und auch Franz Joseph sie nicht zu sehen bekam. Neben dem für eine Kaiserin ziemlich paradoxen Ruf nach Völkerfreiheit, blieb aber auch die Sehnsucht nach persönlicher Freiheit und der damit verbundene Ausbruch aus den Zwängen der höfischen Welt eines der Hauptmotive in Elisabeths Dichtung:

Liberty

Ja ein Schiff will ich mir bauen!
Schönres sollt ihr nimmer schauen
Auf dem hohen, weiten Meer;
„Freiheit“wird vom Mäste wehen
„Freiheit“ wird am Buge stehen,
Freiheitstrunken fährt’s einher.
„Freiheit“! Wort aus goldnen Lettern,
Flattert stolz in allen Wettern
Von des Mastes schlankem Baum,
Freiheit atmen meine Nüstern,
Freiheit jauchzt der Wellen Flüstern,
Freiheit! Dann bist du kein Traum.

Sucht es dann ihr Telegraphen,
Für ein Hoffest mich zu schaffen
In die Kerkerburg zurück;
Ficht im Klaren, fischt im Trüben,
Fangt die Möve nach Belieben;
»Hurrah« wir sind frei und flügg´!

Von den Spitzen meiner Finger
Sende ich euch, ihr lieben Dinger,
Die mich einst gequält so sehr,
Einen Kuss und meinen Segen,
Schert euch nimmer meinetwegen;
Ich bin frei auf hohem Meer!

Auch bei diesem Gedicht hatte Heine Pate gestanden, sowohl was den Stil als auch die Meeres- und Schiffsmetaphorik anbelangte. Und auch das Mövenmotiv hatte Elisabeth von dem großen Dichter übernommen. In diesem Bild des frei umherfliegenden Meeresvogels fand sich die Kaiserin am ehesten wieder und es wurde in vielen ihrer Gedichte immer wieder aufgenommen.

Elisabeth begann auch innerlich eine immer tiefere Beziehung zu ihrem „Meister“zu entwickeln. »Heine ist immer und überall mit mir«, schrieb sie an Marie Valerie im September 1886, »jedes Wort, jeder Buchstabe, was nur in „Heine“ vorkommt, ist ein Juwel«. Und am 5. März 1887 schrieb die Kaiserin die folgenden Verse:

An meinen Meister

Es schluchzt meine Seele, sie jauchzt und sie weint,
Sie war heute Nacht mir der Deinen vereint;
Sie hielt Dich umschlungen so innig und fest,
Du hast sie an Deine mit Inbrunst gepresst.
Du hast sie befruchtet, du hast sie beglückt,
Sie schauert und bebt noch, doch ist sie erquickt.
O könnten nach Monden aus ihr auch erblüh’n
so wonnige Lieder, wie Dir einst gedieh nl —
Wie würde sie hegen, die Du ihr geschenkt,
Die Kinder, die Du, Deine Seele getränkt.

Diese nächtliche Seelenvermählung war durchaus keine bloße Fiktion. Ganz ernsthaft erzählte Elisabeth ihrer jüngsten Tochter, dass ihr Heinrich Heine beim Zubettgehen erschienen sei. Ihre Mutter habe dabei, so notierte Marie Valerie später in ihr Tagebuch, »die merkwürdige, … aber angenehme Empfindung« gehabt, »als wollte diese Seele die ihrige lostrennen aus dem Körper.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch:

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